,

Roter Teppich fürs Fahrrad

Wer Radwege baut, erntet Radfahrer*innen – so weit ist man sich heute in den der Mobilitätswende zugeneigten Gesellschaftsschichten einig. Nach dieser Logik müssten Radwege mit guten Oberflächen sicher noch mehr Radverkehr ernten. Was aber sind gute, moderne Materialien und Beläge für die Radinfrastruktur? (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2024, Juni 2024)


Asphalt ist, wenn man nicht gerade auf einem Rad mit Stollenreifen sitzt, der mit Abstand beliebteste Bodenbelag zum Radfahren, da ist man sich einig unter Radfahrenden und Verkehrsplanern gleichermaßen. Asphaltradwege sind eben, fugenfrei und, etwas gepflegt, vergleichsweise langlebig.
Im Vergleich dazu schneiden wassergebundene Decken, umgangssprachlich Schotterstraßen genannt, meist schlechter ab: Die oberste Schicht kann bei starkem Regen ungleichmäßig abgetragen werden, wodurch Schlaglöcher und Rillen entstehen können.
Doch Asphalt ist nicht gleich Asphalt (s. auch den Kasten unten), zudem ist es mit der fertigen Asphaltdecke ja manchmal noch nicht getan – gerade in Innenstädten, wo man durch Kennzeichnung Fahrradwege besonders hervorheben will.

Noch mehr „klare Verhältnisse“ schaffen farblich auffällige mechanische Abgrenzungen. Protected Bikelanes können in besonders sicherheitsrelevanten Stellen eingerichtet werden.

Zeigen, wer hier das Sagen hat

Schon vor drei Jahren hatte sich Münster einmal mehr einen Namen als Fahrradhochburg gemacht und einen Preis der Kategorie Infrastruktur eingeheimst, indem eine bereits vorhandene Fahrradstraße nicht nur so benannt und beschildert, sondern die Straße auch noch in voller Breite rot markiert wurde. „Wir wollten ein Zeichen setzen“, erklärte Alexander Buttgereit, damals Abteilungsleiter des Amtes für Mobilität und Tiefbau in Münster. „Das Rot drückt einen ‚Gast-Zustandʻ für den Autofahrer aus, da er die Farbe ja auch von den Radwegen her kennt. Und zugleich ist es der rote Teppich für den Fahrradfahrer.“
Normalerweise wird für den einfachen roten Streifen sogenannte Kaltplastik verwendet, oder, meist weniger dauerhaft, eine strapazierfähige Farbe. Kaltplastik ist ein gut färbbares, flüssiges Kunstharz, das bei Zugabe eines Härters fest wird. „Bei den Münsteraner Fahrradstraßen haben wir dagegen eine Anstreuung“, so Alexander Merkt von Röhrig-Granit, dem Unternehmen, das für den neuen Belag der Fahrradstraße zuständig war. Bedeutet: Rot eingefärbter Granit gibt der Straße die Farbe. Zunächst wird der bereits vorhandene Asphalt kugelgestrahlt, was ihn gleichmäßig eben macht. „Dann wird Epoxidharz aufgegossen und parallel wird unser Granit mit einer Korngröße von 1 bis 2 Millimeter in das Epoxidharz eingestreut.“ Zwischen 5 und 15 Kilogramm Granulat kommen in den Quadratmeter Harz – genauere Zahlen sind Betriebsgeheimnis. „Die Mischung härtet in weniger als einem Tag aus. Der Belag bleibt dann auch bei Nässe rutschfest“, was ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber der Kaltplastik sei.

66 %

der befragten Radfahrenden erklärten,
dass sie sich auf den grünen Radwegen „sicherer“
beziehungsweise „viel sicherer“ fühlten.

Mit hochwertigen Farben, Kaltplastik oder eingefärbtem Asphalt können Radflächen hervorgehoben werden.

Berliner Farbspiele

Auch in Berlin treibt man es schon seit 2018 bunt: Die gemeinnützige GB Infravelo GmbH ist eine Berliner Initiative, gegründet von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt mit dem Ziel, Radfahren attraktiver zu machen. Ein Teil der Projekte bezieht sich dabei auf die Farbe von Radweg-Oberflächen. So erhielten Radwegflächen eine grüne Oberfläche, um sie klarer zu kennzeichnen und das Parken oder Halten von Pkw und Auslieferfahrzeugen zu verringern. Gleichzeitig wollte man damit den Radfahrenden mehr Sicherheit geben – nicht nur psychologisch: Deutliche farbliche Kennzeichnung führt dazu, dass Autofahrende Radwege besser als solche erkennen.
2018 bis 2023 gab es eine Begleituntersuchung, die beim Berliner Büro Planungsgemeinschaft Verkehr in Auftrag gegeben wurde. Dabei wurden Nutzer und Nutzerinnen zu den neu angelegten beziehungsweise eingefärbten Radwegen befragt. Der abschließende Schlussbericht dazu ist, so Alexandra Hensel, Kommunikationsleiterin der Infravelo, noch in der Abstimmung. Doch auch der Zwischenbericht von 2022 liefert einige interessante Daten: 66 Prozent der befragten Radfahrenden erklärten, dass sie sich auf den grünen Radwegen „sicherer“ beziehungsweise „viel sicherer“ fühlten. Der Anteil von Menschen, die auf dem Gehweg fuhren, halbierte sich in den Projektgebieten auf knapp sieben Prozent. Auch die Blockade der Wege durch Autos ging um etwa 40 Prozent zurück. Da die Markierung der Wege in deutlichem seitlichem Abstand von parkenden Fahrzeugen aufgebraucht wurde, sank auch die Zahl der Fahrradunfälle in der sogenannten Dooring-Zone im Untersuchungszeitraum drastisch. Für die Farbgebung wurden Kaltplastik und Epoxidharz genutzt.

Auch auf dieser Fahrradstraße in Münster wurde der farbige Belag fast über die ganze Straßenbreite gezogen, ein starkes zusätzliches Erkennungssignal zum Radfahrer-Zeichen.

Glaspartikel für mehr Sichtbarkeit

Jens Weber, Bereichsleiter der Possehl Spezialbau GmbH, sieht Nachholbedarf bei den Radwegen in Deutschland allgemein: „Die bestehenden Systeme, mit denen wir in Deutschland Radwege bauen, weisen viele Mängel auf. Kaltplastik zum Beispiel bietet kaum Griffigkeit, nutzt sich schnell ab und wird bei Regen oder Schnee extrem glatt.“ Das Unternehmen setzt daher auf ein eigenes Produkt. „EP-Grip Velo“ ist eine Mischung aus Gesteinskörnungen und einem Bindemittel auf Epoxidharzbasis sowie wahlweise Glaspartikeln – und die Mischung bietet einige Vorteile. „EP-Grip Velo erreicht eine hohe Griffigkeit, auch bei Nässe“, so Jens Weber. „Außerdem punktet das Mittel durch seine vielen Farbmöglichkeiten, lange Haltbarkeit und Nachhaltigkeit.“ Auch mit diesem Produkt kann man, etwa an Kreuzungspunkten, erhöhte Aufmerksamkeit von Autofahrer*innen durch abgrenzende Farben sehr einfach erreichen. Da die fein eingearbeiteten Glaspartikel das Licht von Scheinwerfer, Fahrradlampe, Straßenlaternen und Co. reflektieren, werden Radfahrende vor allem bei Nacht nochmals besser gesehen. Ein Vorteil ist auch die Einsetzbarkeit auf verschiedenen Untergründen. „Ob auf Asphalt oder Beton, Holz oder Stahl, alles kann der Untergrund für EP-Grip sein“, so Weber, wichtig beispielsweise für Bahnübergänge oder Fußgängerbrücken.Die Kosten des Produkts liegen etwas höher als bei anderen Systemen – unter anderem weil die Verarbeitung komplexer ist und nur von Possehl selbst vorgenommen wird. Doch dafür sparen Städte und Gemeinden langfristig an Wartung und Reparatur. „Die RWTH Aachen hat den Belag geprüft und konnte uns eine etwa fünfmal so lange Haltbarkeit im Vergleich zu Kaltplastik bescheinigen.“ „EP-Grip Velo“ trage somit dazu bei, dass Radfahren in Deutschland sicherer und angenehmer wird. Das Unternehmen sieht seine Lösung dabei auch als Beitrag zur Gestaltung der urbanen Mobilität.

„Wir haben noch zu wenig Erfahrungswert mit dem Radverkehr auf offenporigen Belägen“

Alexander Buttgereit, Jade Hochschule, Oldenburg

Sogenannter Flüsterasphalt kann einerseits eine besonders ebene Oberfläche bilden, Radfahrenden andererseits aber durch schnell ablaufendes Regenwasser mehr Sicherheit und Komfort bieten.

Flüsterleise im Flow bleiben

Wenn es aber keine eigene Farbe braucht, beispielsweise auf ohnehin von Straßen separierten Radwegen außerhalb der Stadt – insbesondere Pendlerrouten – dann gibt es heute auch die Möglichkeit, mit speziellem Asphalt zu arbeiten, der für besondere Effekte sorgen kann. Alexander Buttgereit, heute Professor für Straßenbau an der Jade Hochschule in Oldenburg, arbeitet weiter an der Antwort zur Frage: Wie kann ich den Radverkehr straßenbaulich fördern? Seine Studentin Rebecka Sophie Kriete nahm sich in der Abschlussarbeit des Themas an. Gute Griffigkeit, auch bei Regen, geringes Spritzwasser und natürlich leichter Lauf waren wesentliche Punkte, mit denen man Radwege verbessern und somit Menschen für das Radfahren begeistern könnte. Ein Teil des Weserdeichwegs im Landkreis Diepholz ist Teststrecke geworden. Zur Eröffnung kam schon der NDR, mittlerweile sind Stimmen der Radfahrenden eingeholt und das Team arbeitet an einer optimierten Variante.
Zwei Wesensmerkmale sorgen laut Buttgereit für den perfekten Radwegbelag: „Die verwendete Kon-struktion schafft durch die Walzung einerseits eine sehr ebene Oberfläche. Räder rollen hier sehr leicht. Andererseits haben wir durch den Hohlraumgehalt aber auch einen guten Drainierungsgrad.“ Das bedeutet: Wasser kann schnell durch die Poren des Materials eindringen und versickern. Dadurch kommt es zu weniger Pfützenbildung und zu weniger Spritzwasser – bei Nässe wird man also deutlich weniger von unten nass. „Das erreichen wir durch eine Korngröße von maximal drei Millimetern, das ist kleiner als das kleinste Großkorn der Regelbauweise, sie misst eigentlich 5 Millimeter.
Ähnlich kennt man das von der Autobahn. Hier heißt dieses Konstrukt Flüsterasphalt. Die Pflege des Weges muss noch weiter erprobt werden, er soll sich ähnlich verhalten wie offenporiger Asphalt auf der Autobahn. „Wege, auf denen wenig gefahren wird, neigen allerdings zur Verkrautung“, erklärt Buttgereit, „wir haben aber noch zu wenig Erfahrungswert mit dem Radverkehr auf offenporigen Belägen, um hierzu Genaueres sagen zu können.“ Dass der neue Radwegasphalt dennoch bereits gut ankommt, zeigen auch die Pläne zweier Städte im Ruhrgebiet, die möglichst noch 2024 erste Wege damit bauen wollten, so Buttgereit.
Natürlich gibt es auch Nachteile des Flüsterasphalts, vor allem im städtischen Bereich. Wenn, etwa wegen Reparatur der Versorgungsleitungen, aufgegraben werden muss, wird’s ein eher aufwendiger Flickenteppich. „Kleine Stellen zu reparieren, ist teuer – Kleinmengen kosten deutlich mehr“, so Buttgereit. Bei Erschließung neuer Wege dagegen, wo die Versorgung neu gelegt wird, ist es sinnvoll, sich Gedanken um den Radverkehr fördernden Belag zu machen. Doch egal ob Pflaster, Beton oder Asphalt: „Gegen Baumwurzeln ist kein Kraut gewachsen.“

„Asphalt ist bis zu 100 Prozent wiederverwertbar.“

Andreas Stahl, Sprecher des Deutschen Asphaltverbandes

Nicht alles ist wirklich grün

Farbliche Ausführungen sind übrigens auch bei diesem Flüsterasphalt einfach möglich: Entweder über den Austausch des Granulats – etwa gegen rote Steine – oder per Farbstoffe in den Bindemitteln. Was den Umweltschutz anbelangt, steht hier einerseits die gute Wasserdurchlässigkeit – die Böden werden nicht versiegelt – gegen die reduzierte Wiederverwertbarkeit. „Es gibt hier viel Feinmaterial, das nicht einfach weiterverwendet werden kann“, so Buttgereit, „das stellt eine gewisse Belastung dar. Fünfer-, Achter- und Elfer-Korn könnte man einfacher wiederverwerten. Aber auch hier haben wir noch zu wenig Erfahrung.“ Wird der radfahrfreundliche Asphalt sich durchsetzen? „Das wird der Markt regeln“, so der Experte. Wünschenswert wäre es – vor allem, weil dadurch der Radverkehr weiter angekurbelt wird.

Wie ist ein Asphalt-Radweg aufgebaut?

Zunächst ist da das Erdreich und damit der Untergrund, erklärt Andreas Stahl, Pressesprecher des Deutschen Asphaltverbandes DAV e.V. Darauf kommt ein ungebundener, also „loser“ Unterbau. „Das kann zum Beispiel Schotter sein. Er ist nach offiziellem Regelwerk sieben bis zehn Zentimeter stark.“ Der Oberbau – hier also der Asphalt, besteht im Grunde aus Stein, Bitumen als Bindemittel und Luft. Walzasphalt muss – meist mit Walzen – verdichtet werden und kann damit sehr glatt ausgebaut werden. Die andere Option: Gussasphalt. „Er muss nicht gewalzt werden, hat aber kein abstützendes Korngerüst. Für den Radweg braucht er das auch nicht unbedingt: Der Druck, der beim Radfahren entsteht, ist gering.“ Selbst leichte Autos, die etwa für die Instandhaltung den Fahrweg passieren, sind da kein Problem. Bitumen, das als Bindemittel eingesetzt wird, wird in Erdölraffinerien hergestellt. Die hier entstehenden Lieferketten machen das Material teuer. Fast ausschließlich wird für den Radweg der günstigere Walzasphalt verwendet. „Die Nutzung durch Radfahrer kann den Asphalt kaum beschädigen. Was dem Asphalt zusetzt, ist eher die Wurzelbildung von angrenzenden Bäumen, die zu den bekannten Bodenwellen und Aufbrüchen führt.“ Dazu kommt: Das Bitumen wird spröde. UV-Einstrahlung, Wärme und Luftzufuhr wirken dabei zusammen. „Wenn ich einen frei liegenden Radweg habe, altert dieser viel schneller als in einem Tunnel.“ Schneller ist relativ: nach 30 bis 40 Jahren lässt die Elastizität des Materials deutlich nach.
Auch den Asphalt selbst kann man einfärben: „Zum Beispiel mit eingefärbtem, künstlichem Bindemittel in dünnen Lagen. Das lässt sich nach Wunsch mischen und färben. Außerdem kann ich mit Gesteinskörnungen die Farbe verändern.“ Das ergebe zwar keine kräftigen Farben, sei aber auch eine Stellschraube, um dem Asphalt eine andere Farbe zu geben. Eine Option ist auch die Abstreukörnung – bei Fertigstellung der Fahrbahn wird Gesteinskörnung mit Farbe eingewalzt. Und schließlich besteht auch die Möglichkeit, Glasrundkorn in verschiedenen Farben einzuwalzen – eine sehr dauerhafte Lösung.

Und die Nachhaltigkeit?

„Asphalt ist zu 100 Prozent wiederverwertbar“, erklärt Stahl. „Es gibt ganze Regelwerke dazu, welche Asphalt-Zusammensetzungen wieder und in welchem Ausmaß gemischt werden dürfen.“ Dabei wird der Asphalt in Schollen aufgebrochen oder abgefräst. In der Asphalt-Mischanlage wird die Mischung nach Regelwerk zusammengesetzt.
Allerdings gebe es immer noch Vorbehalte gegen die Wiederverwertung, so Stahl, weil recyceltes Material in manchen Kommunen als minderwertiger Rohstoff angesehen werde. „Die Frage ist für manche, wie definiert man Abfall, wie Sekundärrohstoff?“ Das ist wohl tatsächlich bisher noch nicht wasserdicht festgehalten. Für Wiederverwertung bei angemessener Qualität lässt sich heute aber auch juristisch argumentieren.
Was den Grundstoff des Radwegs angeht, sei mittlerweile das Vorurteil widerlegt, dass Asphaltdecken den Boden im Gegensatz zu wassergebundenen Decken viel stärker versiegeln – unter anderem, weil Wege ohne feste Asphaltschicht per se höher verdichtet werden müssen. So gab es bereits 2012 ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das zeigte, dass Radwegekonstruktionen wie Asphalt oder Pflaster den darunter liegenden Boden sogar schützen können.

Andreas Stahl ist Pressesprecher
des deutschen Asphaltverbandes DAV e.V.


Bilder: Possehl – Stephan Brendgen Fotodesign, Daniel Rudolph – StadtLandMensch-Fotografie, infraVelo – Dominik Butzmann, Buttgereit, Andreas Stahl