(erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2024, Juni 2024)


Nach Insolvenz:

Deutscher Elektroroller-Hersteller übernimmt UNU

Für die Elektrorollermarke Unu geht es weiter. Nachdem das Unternehmen im vergangenen Oktober Insolvenz anmelden musste, findet es sich jetzt unter einem neuen Firmendach wieder.

Bis zu 60 Kilometer Reichweite mit einer Akku-Ladung bieten die Elektroroller von Unu.

Der im Jahr 2013 von Mathieu Caudal und Pascal Blum in Berlin gegründet Elektrorollerhersteller Unu war im vergangenen Herbst aufgrund einer stark rückläufigen Nachfrage in Verbindung mit gestiegenen Material- und Logistikkosten in eine finanzielle Schieflage geraten. Jetzt konnte Insolvenzverwalter Dr. Gordon Geiser den Abschluss des Insolvenzverfahrens vermelden. Der Elektrorollerhersteller Emco hat die Geschäftsanteile, den Vertrieb und den Service der Marke Unu übernommen. Mehr als 10.000 bestehende Unu-Kunden haben damit auch künftig einen Ansprechpartner in Sachen Service. Allerdings werden Garantieansprüche aus der Vergangenheit nicht übernommen, wie es in einer Mitteilung von Unu heißt.
Die Fortführung des Berliner Flagship-Stores sowie die Integration einiger Unu-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen geprüft werden.
Dr. Gorden Geiser erklärt: „Trotz eines äußerst schwierigen Marktumfeldes und der Insolvenz zahlreicher Wettbewerber ist es uns gelungen, eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung zu finden. Mit Emco Electroroller GmbH steht uns ein starker Partner zur Seite, der mit über 480 Partnerwerkstätten in Deutschland und einer profunden Marktkenntnis die Werte und das Erbe von Unu wertschätzt und weiterentwickeln wird.“
Gavin von Schweinitz, Geschäftsführer von Emco Electroroller GmbH, sagt zur strategischen Bedeutung der Übernahme: „Unu steht nicht nur für Innovation und starkes Design, sondern ist eine starke und etablierte Marke. Diese Attribute passen perfekt zu Emco, und wir sind entschlossen, die Marke Unu erfolgreich in unser Portfolio zu integrieren. Die Reichweite einer bekannten und beliebten Marke wie Unu, gepaart mit unserer langjährigen Erfahrung im Markt, ermöglicht es uns, neue Zielgruppen zu begeistern. Wir sind zuversichtlich, dass sich der Markt für Elektromobilität erholen wird und dass Emco und Unu gemeinsam eine führende Rolle in diesem spannenden Zukunftsmarkt einnehmen werden.”

(jw)


37,4 Millionen Radurlauber

ADFC-Radreiseanalyse zeigt differenzierte Entwicklung

Die verschiedenen Arten der Ausflüge und Reisen mit dem Rad entwickeln sich sehr unterschiedlich. Die repräsentative ADFC-Radreiseanalyse untersucht erstmals neue Segmente des Radtourismus und wird diesen Unterschieden dadurch besser denn je gerecht.

Der ADFC hat seine jährliche Radreiseanalyse neu aufgesetzt und sie auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) präsentiert. Die Umfrage schnitt 2024 mit einer Rekordbeteiligung ab. In der Bilanz ergab die Analyse, dass 37,4 Millionen Menschen in Deutschland das Rad im Urlaub und für Tagesausflüge nutzten. Gegenüber 2022 ist die Zahl der Radreisenden zurückgegangen, die Zahl der Tagesausflüge aber deutlich gestiegen. Der ADFC hat erstmals auch die täglichen Ausgaben erhoben, die die Reisenden tätigen.
ADFC-Tourismusvorstand Christian Tänzler sagt: „Mit dem Relaunch der ADFC-Radreiseanalyse machen wir das riesige Potenzial des Radtourismus erstmals komplett sichtbar. Und die Zahlen sind beeindruckend: Gut 37 Millionen Menschen in Deutschland sind 2023 im Urlaub und auf Tagesausflügen Rad gefahren, das ist mehr als die Hälfte der Erwachsenen. Deutschland ist eben das beliebteste Radreiseland der Welt. Trotz rückläufiger Zahlen bei den Radreisen freue ich mich über einen Trend besonders: 2024 wollen wieder mehr Menschen Radreisen unternehmen und auch häufiger im Urlaub Fahrradfahren. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen.“
Nach dem Relaunch nimmt die Untersuchung nun vier Segmente des Radtourismus in den Blick. Neu ist neben den klassischen Radreisen und Tagesausflügen auch das Radfahren im Urlaub, wenn es nicht das Hauptmotiv der Reise ist. Dieses Segment, so zeigt sich, ist groß: 10,6 Millionen Menschen sind 2023 im Urlaub Rad gefahren, mehr als die Hälfte hat das Rad dabei mindestens an zwei Dritteln der Tage genutzt.
Ebenfalls neu ist die Kategorie der Kurzradreisen mit ein bis zwei Übernachtungen. 2023 haben fünf Millionen Menschen insgesamt sieben Millionen dieser Kurzreisen unternommen. Klassische Radreisen verzeichnen dagegen einen deutlichen Rückgang. Statt 4,6 Millionen Menschen wie in 2022 haben nur 3,6 Millionen Menschen 2023 eine Reise aus dieser Kategorie auf sich genommen. Die Entwicklung der Tagesausflüge ist gegenläufig. Die Gesamtzahl der Tagesausflüge stieg um 10 Millionen, von 445 im vorletzten auf 455 Millionen im letzten Jahr.

Erstmals erhoben: Tagesausgaben

Um zu schätzen, wie wirtschaftlich bedeutsam der Radtourismus in Deutschland ist, hat der Fahrradclub auch die Ausgaben der Radreisenden untersucht. Kurzreisende gaben im Schnitt 130 Euro pro Tag aus, wodurch dieses Segment insgesamt auf zwei bis drei Milliarden Euro kommt.
Im Segment mit mindestens drei Übernachtungen lagen die Durchschnittskosten bei 117 Euro pro Tag, was in der Summe 6 bis 7 Milliarden Euro bedeutet. Bei den Tagesausflügen investierten die Radreisenden rund 32 Euro weniger.
Die Gesamtausgaben lagen 2023 bei etwa 14 bis 15 Milliarden Euro. Wer im Urlaub Rad fuhr, gab im Schnitt 123 Euro pro Person und Tag aus.

Beliebte Ziele ähnlich wie 2022

Wenig verändert haben sich die Ergebnisse, wenn es darum geht, welche Radfernwege und Radreiseregionen beliebt sind. Die Favoriten verlaufen an der Weser, der Elbe und der Ostseeküste, alle Radfernwege in den Top 10 führen an Gewässern entlang. Die meistbesuchten Regionen sind die Grafschaft Bentheim-Emsland-Osnabrücker Land, Bodensee, die schleswig-holsteinische Ostsee- und die niedersächsische Nordseeküste.

(sg)


Wirtschaftsfaktor Fahrrad & Co.

Nachhaltige Mobilitätswirtschaft sorgt für 118 Milliarden Euro Wertschöpfung

Ein Bündnis aus vier Mobilitätsverbänden, darunter Zukunft Fahrrad, hat eine Studie präsentiert, die die wirtschaftliche Bedeutung der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft beziffert. Außerdem wurden zehn gemeinsame Forderungen aufgestellt.

Vier Verbände haben gemeinsam den volkswirtschaftlichen Nutzen alternativer Mobilitäts-formen untersucht.

1,7 Millionen Beschäftigte und 118 Milliarden Euro Wertschöpfung. Diese Kennzahlen hat die Studie „Volkswirtschaftliche Effekte der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft“ hervorgebracht, die von einem Bündnis aus Zukunft Fahrrad, der Allianz pro Schiene, dem Bundesverband CarSharing (BCS) und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in Auftrag gegeben und durch das Conoscope-Institut umgesetzt wurde. Der Wirtschaftsstandort Deutschland profitiere stark von den Unternehmen der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft, resümiert das Bündnis die Ergebnisse mit Blick auf die Wertschöpfung, aber auch hinsichtlich der Beschäftigungs- und Einkommenseffekte.
Untersucht wurden der Schienenverkehr, der Busverkehr, die Fahrradwirtschaft, das Carsharing sowie die Taxibranche in ihrer Gesamtheit als Wirtschaftsfaktor für Deutschland. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen wurden hinsichtlich direkter, indirekter und induzierter (durch die Einkommen der Beschäftigten hervorgerufenen) Effekte unterschieden. Die direkte Wertschöpfung liegt bei 34,9 Milliarden Euro, indirekt und induziert führt die nachhaltige Mobilitätswirtschaft weitere 82,7 Milliarden Euro an Wertschöpfung herbei. Der Multiplikator zwischen diesen Werten liegt bei 2,4 und damit höher als in vielen anderen Branchen (Automobil: 2,1; Chemie: 1,9; Luftfahrt 1,7). „Jeder Euro, der durch Unternehmen der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft in Deutschland erwirtschaftet wird, erzeugt eine zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von 2,40 Euro“, erklärt das Bündnis.
1,7 Millionen Voll- und Teilzeitbeschäftigte finden aktuell durch die nachhaltige Mobilitätswirtschaft Arbeit. Davon sind 499.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt bei den Betrieben des Wirtschaftszweigs beschäftigt, der Rest etwa bei Zulieferern und nachgelagerten Dienstleistern. Insgesamt werden 66,8 Milliarden Euro an Einkommen generiert, davon 22,9 Milliarden direkt in der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft.
Wasilis von Rauch von Zukunft Fahrrad fasst bei der Pressekonferenz in Berlin zusammen: „Wir können eben zeigen, dass die nachhaltige Mobilitätswirtschaft sich nicht nur aus Klimasicht für lebenswerte Städte oder eine gerechtere Gesellschaft lohnt, sondern eben auch als volkswirtschaftlicher Aspekt.“ Die volkswirtschaftliche Leistung sei insbesondere im Mittelstand spürbar. Dort könne man gegebenenfalls auch Fachkräfte aus anderen Branchen auffangen. In einer Mitteilung erklärt von Rauch weiter: „Gefragt ist jetzt ein politischer Gestaltungswille, der nachhaltige Mobilität sowohl mit den Zielen Sicherheit, Gesundheit, Klima und Lebensqualität sowie mit Blick auf die wirtschaftlichen Chancen gezielt fördert. So können Bahn, ÖPNV, Fahrrad und Carsharing gemeinsam ihre Stärken ausspielen.“

Mehr Mobilität mit weniger Verkehr

Begleitend zur Studie wurde eine Umfrage durchgeführt, die zeigt, dass die Menschen eine Veränderung wahrnehmen. Die Angebote für nachhaltige Mobilität haben sich für 6 Prozent der Befragten deutlich und für 34 Prozent etwas verbessert. Starke Unterschiede ergäben sich allerdings je nach Größe der Kommune. Den größten Handlungsbedarf sehen 80 Prozent der Befragten bei Bus- und Bahnverbindungen. Für 44 Prozent ist eine bessere Radinfrastruktur und für 42 Prozent die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel innerhalb eines Weges wichtig. In diesen Forderungen, so betont das Bündnis, stecken große Chancen sowohl für die Verkehrs- als auch für die Wirtschaftspolitik.
Das Bündnis nachhaltige Mobilitätswirtschaft betont die großen Chancen, die für die Bundesregierung, Länder und Kommunen in der Förderung nachhaltiger Mobilität sowohl für die Verkehrs- als auch für die Wirtschaftspolitik liegen. „Wenn 80 Prozent der Menschen in Deutschland den Ausbau von Bus- und Bahnverbindungen als notwendig ansehen, ist das ein klarer Auftrag an Bund und Länder, die Regionalisierungsmittel zu erhöhen“, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene.

Zehn Forderungen

Alexander Möller vom VDV sieht eine Diskrepanz dazwischen, dass die Politik eine maximale Transformation von den Unternehmen und Beschäftigten erwarte, aber nicht passend priorisiere: „Der Ausbau- und Modernisierungspakt aus dem aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel ist die Chance, das Angebot des ÖPNV zu erhalten, auszubauen und zu digitalisieren. Dabei müssen Ballungsräume, ländliche Räume und Dienste wie On-demand-Angebote besonders in den Fokus genommen werden. Zusätzlich müssen die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für den Neu- und Ausbau sowie für die Modernisierung der Infrastrukturen im ÖPNV erhöht werden.“ Niemand sollte mehr aufs Auto angewiesen sein, so Möller bei der Pressekonferenz. Im ländlichen Raum könne es derzeit aber schon als Erfolg gewertet werden, wenn das zweite oder dritte Auto abgeschafft werde.
Das Bündnis fordert weiterhin etwa, die steuerrechtliche Anwendung von Mobilitätsbudgets zu vereinfachen. Auch müssen die Bahnhöfe aufgewertet und die Regionalisierungsmittel erhöht werden.

(sg)