VELOPLAN 1/2024 – Editorial

Schwerpunkt: Inklusion

Gleiches Recht für alle

01/24 03
In meinem Nachbarort Unterhaching gibt es ein Stück Fußweg, der in zwei Richtungen für Radfahrer freigegeben ist, familienintern der Todesstreifen genannt. Stellenweise nur zwei Meter breit, mit schlecht einsehbaren Ausfahrten von Gewerbegrundstücken gespickt, dazu ein unübersichtlicher Knick vor einer Kreuzung und eine schwer einsehbare Bushaltestelle, an der Fahrgäste häufig in gefährliche Situationen mit Radfahrer*innen gezwungen werden. Ich lehne als Radfahrer deshalb das Nutzungsangebot der Gemeinde Unterhaching meistens dankend ab und nutze stattdessen die vergleichsweise sichere Straße. Obwohl ich mich damit nicht nur vernünftig, sondern auch regelkonform verhalte, rechne ich bei jedem vorbeifahrenden Auto damit, dass mir der Fahrer durch Hupen oder noch unfreundlichere Gesten zu verstehen gibt, dass ich als Radfahrer auf seiner Autostraße nichts zu suchen habe und ich mich doch bitte schleunigst auf den Todesstreifen verziehen soll. Hin und wieder wird mir diese Botschaft auch durch besonders nahes Überholen vermittelt.

Im Grundgesetz steht, jeder Mensch ist gleich. Nach den Strukturprinzipien des Grundgesetzes leitet sich daraus ab, dass auch jeder Verkehrsteilnehmer gleich ist. Doch das wird in Teilen der autofahrenden Gesellschaft meist noch anders verstanden, da werden Radfahrende auf der „Autostraße“ bestenfalls geduldet. Von einer Gleichberechtigung, bei der beispielsweise auch der Verkehrsraum gerecht verteilt würde, ganz zu schweigen.

Und doch relativiert sich mein Frust, wenn ich meine privilegierte Lebenssituation mit der von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen vergleiche. Wenn ich schon mit der Fahrradinfrastruktur hadere, wie muss es dann erst einem Menschen gehen, der vielleicht nicht so gut sieht oder nicht so gut das Gleichgewicht halten kann wie ich? Wenn ich bei nah vorbeidonnernden Lkw erschrecke, wie muss es dann dem Handbike-Fahrer gehen, der knapp über dem Boden liegend mit einem kleinen Fähnchen signalisiert: Achtung, hier bin ich!

Noch mal zum Grundgesetz. Da steht auch: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Von einer Einschränkung, die diesen Artikel für radfahrende Menschen relativiert, steht nichts im Grundgesetz.

Wir haben vor ein paar Ausgaben geschrieben, dass eine Fahrradinfrastruktur, die Kindern die möglichst gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr ermöglicht, der Goldstandard ist. Ganz ähnlich lässt sich auch für eine barrierefreie Infrastruktur argumentieren. Doch wer kindergerecht und barrierefrei einfach gleichsetzt, macht es sich zu einfach. Mehr darüber in dieser Ausgabe mit dem Schwerpunkt-Thema „Inklusion“.

Ihr Markus Fritsch – mf@veloplan.de

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